Traum von 6000 Metern: Auf den Vulkan Chachani in Peru

Einmal auf über 6000 Meter? Das ist wohl für die meisten Bergsteiger der Hauptgrund für den Vulkan Chachani im Norden von Arequipa. Er gilt als einer der leichtesten 6000er in Peru. Zwar ist der Gipfel nicht vergletschert und durch die Trockenheit der Region auch von keiner permanenten Eis- und Schneeschicht bedeckt, dennoch sollte man den Aufstieg auf 6075m nicht unterschätzen: Nach einer kurzen und kalten Nacht in dünner Höhenluft beträgt die Aufstiegszeit ab dem Basiscamp noch einmal rund 6 bis 9 Stunden.

 

Organisation

Wie auch bei sonst bei Bergtouren suchten wir anfangs nach einer Möglichkeit den Chachani ohne die Hilfe eines Touranbieters zu besteigen. Im Gegensatz zu den Trekkings und Touren rund um Huaraz, beispielsweise entlang der Cordillera Huayhuash, kann ich den Chachani jedoch jedem als geführte Tour ans Herz legen. In Arequipa finden sich viele professionelle Anbieter, wir entscheiden uns – eher zufällig – für Waiky Adventours, und haben diese Entscheidung nicht bereut. Schon das Erreichen des Ausgangspunktes ist ein Erlebnis. Selbst wenn wir hierfür ein 4x4-Fahrzeug gemietet hätten, hätten wir den Zugang entweder nicht gefunden oder das Auto bei den Straßenverhältnissen frühzeitig stehengelassen. Unser Fahrer Emmanuel brachte uns bis zum Ausgangspunkt und wartete am nächsten Tag bereits auf uns. Auch kümmerte sich der Anbieter um zusätzliches Equipment wie wärmere Handschuhe, Teller und Tassen. Falls du selbst nicht mit eigenem Zelt, Schlafsack, Bergschuhen usw. unterwegs sein solltest, bekommst du dies hier zusätzlich ohne Aufpreis. Neben unserem Guide Renzo gab es außer uns nur einen weiteren Teilnehmer. Auf der Fahrt bis zum Ausgangspunkt, etwa 3 ½ Stunden ab Arequipa, hatten wir etwas Zeit uns kennenzulernen.

Unser Guide Renzo im Basislager

Unser Guide Renzo im Basislager

 

Basecamp auf 5200 Metern

Vor unserer Chachani-Tour verbrachten wir bereits einige Wochen am Titicaca-See sowie rund um die Stadt Cusco. Wir waren bereits auf über 5000 Metern gewandert und hatten auf 4800 Metern übernachtet. Alles in allem waren wir gut akklimatisiert. Trotzdem bin ich angesichts unseres Basislagers auf 5200 Metern etwas nervös. Vom Ausgangspunkt der Tour wandern wir etwa 1 Stunde und 20 Minuten im leichten auf und ab. Langsam laufen, kurze Pausen einlegen, viel Wasser trinken, leicht essen… Renzo betont immer wieder die Wichtigkeit alles so entspannt wie möglich anzugehen.

Auch wenn das Basislager selbst wenig mehr als ein staubiges Fleckchen am Fuße des massiven Gipfelaufbaus darstellt, ist der Ausblick in die umliegende Vulkanlandschaft einfach nur spektakulär. Am Abend beginnen sich die Braun- und Rottöne der Landschaft zu intensivieren und regelrecht zu leuchten. Die Kulisse einer Mondlandschaft, die Abwesenheit anderer Menschen und die leichte Benommenheit durch die Höhe – all das fühlt sich unglaublich surreal an. Auch wenn sich das Aufstellen unseres Zeltes als herausfordernd darstellt, fühlen wir uns insgesamt gut. Nach einer (sehr kleinen) Portion Spaghetti mit Thunfisch ändert sich dies schlagartig. Kreislaufbeschwerden im Zusammenhang mit Essen gelten in der Höhe zwar durchaus als normal, dennoch fühlt es sich sehr merkwürdig an, wenn plötzlich das gesamte Blut zur Verdauung den Kopf verlässt… Mit größeren Mahlzeiten sollte man dementsprechend sehr vorsichtig sein. Gegen 5 Uhr nachmittags machen wir uns bereits auf den Weg ins Bett.

Ausblick vom Basislager

Ausblick vom Basislager

 

Aufstieg

Der Wecker klingelt um 1 Uhr nachts. Eigentlich war ich ohnehin wach, gefühlt hatte ich die gesamte Nacht nur gedöst. Nach einem kleinen Frühstück verlassen wir unser Lager etwa um 1.30 Uhr. Die Nacht ist sternenklar und nicht zu kalt. Schritt für Schritt wandern wir ein Schotterfeld aufwärts zu einem Grat. Der Steig ist angenehm und wir wandern langsam und kontinuierlich. Im Fuße meiner Stirnlampe setze ich einen Fuß vor den anderen… eins, zwei, eins, zwei…

Plötzlich hören wir ein gewaltiges Krachen. Ein Bergsturz nicht allzu weit entfernt von uns. Da wir durch die Dunkelheit nichts sehen können, bleibt uns nichts Anderes als zuhören. Obwohl ich von der Höhe etwas benommen bin, ist meine Sinneswahrnehmung plötzlich wieder aktiviert: Die Geräusche der anderen, die Gesteinslawine und die zunehmende Kälte. Alles fühlt sich irgendwie überschärft an.

Sonnenaufgang beim Aufstieg

Sonnenaufgang beim Aufstieg

 

Die große Herausforderung

Die Sonne erreicht in der Zwischenzeit die umliegenden Bergspitzen, doch gefühlt fallen die Temperaturen stetig weiter. Als wir immer stärker zu zittern beginnen werden wir zunehmend langsamer, nach und nach verlässt uns unsere gesamte Energie. Wir haben keine Ahnung wie weit es noch bis zum Gipfel ist und überlegen ernsthaft umzukehren. Unser Tempo erreicht ein absolutes Minimum und wir wechseln zwischen einer Minute laufen und drei Minuten Pause. Als nach einer Weile immer noch kein Gipfel in Sichtweite kommt, beschließen wir umzukehren. Wir lassen uns auf einem Felsen nieder und schauen Renzo und dem anderen Teilnehmer dabei zu, wie sie weiter bergauf steigen. Sofort fallen wir in eine Art Trance, einen kurzen tiefen Schlaf. Nach 10 Minuten sind wir plötzlich wieder wach, hellwach, und beschließen doch noch weiterzulaufen.

Wir waren bereits nah, sehr nah. Etwa 30 Minuten später, gegen 8 Uhr morgens, erreichen wir den Gipfel des Vulkans Chachani. Unsere gesamte Energie ist zurück. Der Blick über das andine Hochplateau ist gewaltig. 4000 Meter zu unseren Füßen liegt nun die Millionenstadt Arequipa, von hier aus plötzlich klein und unbedeutend.

Kurz unterhalb des Gipfels

Kurz unterhalb des Gipfels

Blick vom Gipfel auf den mächtigen Vulkan Misti

Blick vom Gipfel auf den mächtigen Vulkan Misti