Abenteuer in gelenkten Bahnen - Durch die Salzwüste Uyuni

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im Blog des The Fernweh Collective. Weitere Artikel über die andine Hochebene oder auch über den Lithium-Bergbau in den Salztonebenen der Region findet ihr auf meinem Blog.

Wir stehen, besser gesagt sitzen, am Paso Hito Cajón, Grenzübergang zwischen Chile und Bolivien auf 4480 Metern. Der Wind pfeift und zerrt an unserem Sprinter. Niemand will aussteigen. Ein alter Toyota Land Cruiser parkt neben uns und eine Gruppe von sechs Personen springt heraus. Unbeteiligt beobachte ich, wie sie eilig ihr Gepäck zusammensammeln und auf unseren Sprinter zu rennen. Eine junge Frau mit geröteten Augen steigt ein. „Oh mein Gott“ ruft sie, „es ist vorbei“. Sie sieht müde aus. Irritiert schauen wir sie an. Als sie erfährt, dass wir gerade auf dem Weg nach Bolivien sind schreit sie aufbrausend „nach Bolivien? Nie wieder!“. Wir steigen aus und verfrachten unser Gepäck auf ebendiesen Land Cruiser. Am Paso Hito Cajón findet tägliche der Wechsel zwischen Uyuni-Reisenden und Rückkehrern statt. Wir wechseln zwei-drei Worte mit unserem Fahrer und schon sind wir unterwegs.

Wir reisen mit World White Travel von San Pedro de Atacama nach Uyuni. Vor vier Jahren war ich schon einmal mit dem gleichen Anbieter unterwegs, damals in die andere Richtung. In den vergangenen Jahren hat sich die mehrtägige Jeep-Tour rund um den Salar de Uyuni zu einer Art Must-Do für jeden Südamerika-Reisenden entwickelt. Auf Plattformen wie Instagram finden sich tausende Fotos von beeindruckenden Spiegelungen, fantastischen Nachthimmeln, endlosen Wüsten und perspektivischen Verschiebungen. Die Bilder zeigen Naturschönheiten und glückliche Menschen. Doch während manche Reisende bei dem Stichwort Uyuni ins Schwärmen geraten, beginnen andere zu fluchen. Neben den klassischen „trip of my life“-Erzählungen kursieren auch jede Menge Horrorgeschichten, von eiskalten Nächten, von betrunkenen Fahrern, von Pannen in der Wüste. Ob nun positiv oder negativ. Scheinbar jeder hat eine Meinung dazu.

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Das Abenteuer kann losgehen

Schon vor der Abreise wurden wir von allen Seiten vorbereitet. Wir sollten ja genug Wasser mitnehmen, auch Kekse und Obst seien empfehlenswert. Kopfschmerztabletten nicht vergessen, und auch Tabletten gegen die Höhe sollten wir in Erwägung ziehen. Die Chilenen präsentieren Bolivien gerne als Dritte-Welt-Land, als rückständig, und natürlich als ultimatives Abenteuer. Nur fünf Minuten nach dem Grenzposten fahren wir an einem kleinen Kiosk vorbei. Ich muss schmunzeln, die Chilenen sind gerne übervorsichtig.

Direkt nach der Grenze endet die asphaltierte Straße. Entlang der Laguna Blanca und der Laguna Verde fahren wir gen Norden. Die Straße ist mal sandig-sanft, mal holprig und steinig. Eine Herde Vicuñas zieht vorbei, perfekt an die klimatischen Bedingungen angepasst leben diese eleganten Tiere hier in den Hochebenen der Anden. Mit zunehmender Höhe fahren wir auch durch immer tieferen Schnee. Schon bald erreichen wir die Geysire Sol de Mañana auf 4800 Metern. Geysire die eigentlich keine sind, wie ich später erfahre, denn unter dem Sol de Mañana-Geysirfeld brodelt Magma. Absperrungen gibt es keine und so läuft man direkt zwischen den brodelnden Löchern und schwefelhaltigen Rauchschwaden hindurch.

Bald darauf geht es weiter. Eine Naturschönheit jagt die nächste, so dass es mir selbst nach meinem zweiten Aufenthalt schwer fallen wird mich an alle Stopps zu erinnern. Wir fahren durch die Wüste von Dalí, an heißen Quellen vorbei und erreichen schließlich die blutrote Laguna Colorada. Seit einem Jahr ist diese mit einem angelegten Aussichtspunkt, einem großen Kiosk und markierten Wegen versehen. Ich bin fast ein wenig enttäuscht. Sicherlich, der rote See ist nach wie vor spektakulär, doch in meiner Erinnerung lief ich vor vier Jahren noch alleine am Ufer entlang.

Wir verbringen die Nacht unweit der Lagune im Dorf Huayllajara. Das Dorf scheint aus nichts als einfachen Refugios, Toyota Land Cruisern und kleinen Shops mit Coca-Cola-Werbung zu bestehen. Wir kaufen uns ein paar Schokoriegel und bereiten uns auf die Nacht vor. Sobald die Sonne verschwindet wird es kalt, denn es ist Winter auf der Südhalbkugel. Nächtliche Temperaturen von -30 Grad sind in diesen Höhen keine Seltenheit. Doch wir müssen noch einmal hinaus um uns den Sternenhimmel zu bewundern. Durch die Kälte, die geringe Luftfeuchtigkeit und die Höhe wirken die Sterne zum Greifen nah. Die Milchstraße ist bereits hier, noch im Lichtkegel der Unterkunft, mit bloßem Auge sichtbar. Nur ein paar Schritte von der Unterkunft entfernt fühlen wir uns wie in einem Planetarium. Nach wenigen Minuten holt uns die Kälte zurück in die Wirklichkeit. Wir verkriechen uns in unsere Schlafsäcke und versuchen nicht auszukühlen.

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Benommen durch die Wüste

Am nächsten Morgen ist von unserem Guide und den anderen Gruppenmitgliedern nichts zu sehen. Das Auto steht vor der Tür, doch niemand ist beim Frühstück. Schließlich finden wir einen unserer Mitreisenden mit glasigen Augen auf seinem Bett, die Nacht habe er kaum geschlafen. Klassische Anzeichen der Höhenkrankheit. Mit Sauerstoffgerät und Verdacht auf Lungenödem versucht unser Fahrer über Funk einen Rücktransport nach Chile zu organisieren.

Wir sind nun nur noch zu dritt. Durch das staubtrockene Altiplano fahren wir an erodierten Gesteinsformationen und bunten Bergen vorbei, wir sehen Vizcachas und Wüstenfüchse. Hier und da machen wir einen kurzen Halt, doch die eiskalten Temperaturen und der stürmische Wind laden nicht zum Verweilen ein. Irgendwann ist der Kopf gesättigt und müde. Ich fühle mich leicht benommen. Die Höhe, die Kälte, die Sonne. Das Altiplano ist ein Ort an dem die Sonne immer brennt aber niemals wärmt. Gegen Mittag erreichen wir schließlich die Laguna Hedionda. Ruhig und unwirklich liegt sie vor uns, die einzigen Geräusche kommen von den Flamingos in der Mitte des Sees. Auch hier ist in den vergangenen Jahren einiges passiert. Ein Speisesaal mit Glasfront wurde errichtet. Auf der gegenüberliegenden Seite steht nun ein luxuriöses Hotel. In nur wenigen Jahren hat sich im Süden Boliviens offensichtlich viel verändert.

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Der Salar de Uyuni

Am dritten Tag heißt es früh aufstehen. Sehr früh. Noch lang vor Beginn der Dämmerung fahren wir von Colcha-K Richtung Salar de Uyuni. Noch einmal ruckelt es stark, unser Wagen kämpft sich durch Geröll und plötzlich gleiten wir dahin. Wir fahren auf dem Salar de Uyuni. Fast 11.000 Quadratkilometer nichts als Salz, aus dem Weltraum problemlos sichtbar. Unser Fahrer macht das Licht aus. In der Dunkelheit des Autos kommt der rote Sonnenaufgangshimmel besonders zur Geltung. Schier endlos erstreckt sich das Salz bis zum Horizont, sanft reflektiert seine Oberfläche die Rot- und Magentatöne des Himmels. Ich bekomme eine Gänsehaut. Klar, irgendwie handelt es sich um ein Abenteuer in gelenkten Bahnen. Doch es mag mittlerweile Luxushotels, Kiosks und all-Inclusive Touren geben, Wind, Höhe und Kälte machen vor niemandem Halt.

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